Menschen mit Borderline-Störung können ihre Gefühle nur schwer
kontrollieren. Sie leiden an extremen Stimmungsschwankungen, Störungen
des Selbsterlebens, Leere- und Spannungszuständen. Manche verletzen sich
selbst, um innere Spannung abzubauen.
Jeder Mensch ärgert sich ab
und zu, ist traurig oder hat einfach mal einen schlechten Tag. Solchen
Alltagsfrust bewältigen wir normalerweise ohne größere Probleme. Die
negativen Gefühle bewegen sich in erträglichen Grenzen und flauen
irgendwann wieder ab. Anders bei Menschen mit Borderline-Störung: Bei
ihnen gerät das emotionale Gleichgewicht sehr leicht aus der Balance.
Gefühle außer Kontrolle
Menschen mit
Borderline-Persönlichkeitsstörung haben zunächst Schwierigkeiten, ihre
Emotionen zu spüren und einzuordnen. Sie merken gar nicht, dass sie sich
über etwas ärgern oder traurig sind. So baut sich eine innere Anspannung
auf. Schon minimale Anlässe genügen dann, und die Gefühlslage kippt. Von
einem Moment auf den anderen überfällt die Betroffenen plötzlich
überwältigende Wut, Angst bis hin zur Panikattacke oder völlige
Verzweiflung. Sie sind nicht in der Lage, diese rasch wechselnden
Empfindungen und ihre Impulse zu kontrollieren. Ihre
Stimmungsschwankungen sind extrem.
Die angestaute innere
Spannung kann sich augenblicklich entladen ohne Rücksicht auf mögliche
Folgen – zum Beispiel in heftigen Aggressionen und Wutanfällen aus
scheinbar minimalem Anlass. So reicht ein verschütteter Kaffee oder ein
falsches Wort, und es folgt ein Gefühlsausbruch. Dieses impulsive
Verhalten wirkt auf die Umgebung befremdlich und irritierend. Betroffene
gelten als aggressiv, launisch und unberechenbar.
Doch wann handelt es sich
tatsächlich um Borderline-Symptome – und nicht einfach nur um eine etwas
exzentrische, aufbrausende Persönlichkeit? Der Leidensdruck macht den
Unterschied, sagen Experten: Auffällige Verhaltensweisen bei
Exzentrikern haben oft etwas mit Lustgewinn zu tun. Das ist bei Menschen
mit Borderline nicht der Fall.
Ritzen, brennen, schlagen:
Leiden bis zur Selbstverletzung
Menschen mit
Borderline-Syndrom leiden unter ihrer Störung – viele von ihnen so sehr,
dass sie drastische Mittel nutzen, um die unerträgliche innere Spannung
abzubauen. Sie verletzen sich selbst, schneiden ("ritzen") sich zum
Beispiel immer wieder mit einem Messer oder einer Rasierklinge in den
Unterarm. Oder sie drücken brennende Zigaretten auf ihrer Haut aus,
schlagen sich selbst.
Eine solche Selbstverletzung
ist eine Art "Notlösung" des Organismus – ein Versuch, das quälende
Gefühlschaos unter Kontrolle zu bringen, sich selbst wieder zu spüren.
Manchmal ist selbstverletzendes Verhalten aber auch ein versteckter
Hilferuf an Freunde und Familie.
Nicht wenige Betroffene
gefährden oder schädigen sich zudem auf andere Weise. Sie nehmen Drogen,
fahren zu schnell, trinken zu viel
Alkohol,
praktizieren riskanten Sex oder gefährliche Sportarten. Etliche leiden
an weiteren psychischen Störungen wie
Essstörungen,
Depressionen,
Suchterkrankungen oder
ADHS.
Manche empfinden ihr Leben
mit Borderline-Störung als unerträglich, so dass sie sogar daran denken,
sich das Leben zu nehmen. Ohne rechtzeitige Therapie sterben mehr als
fünf Prozent der Betroffenen durch Suizid.
Borderline Arten
Das Krankheitsbild von Borderline ist sehr
unterschiedlich. Der Arzt ordnet die Persönlichkeitsstörungen nach der
ICD-10-Klassifikation ein. Die Internationale statistische
Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme
(ICD-10)
wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstellt. Die Abkürzung
ICD steht für „International Statistical Classification of Diseases and
Related Health Problems“, die Ziffer 10 bezeichnet die 10. Revision der
Klassifikation.
F60.3: Emotional
instabile Persönlichkeitsstörung:
Darunter versteht man eine Persönlichkeitsstörung mit deutlicher
Tendenz, Impulse ohne Berücksichtigung von Konsequenzen auszuleben,
verbunden mit unvorhersehbarer und launenhafter Stimmung. Es besteht
eine Neigung zu emotionalen Ausbrüchen und eine Unfähigkeit, dieses
impulshafte Verhalten zu kontrollieren. Ferner besteht eine Tendenz zu
streitsüchtigem Verhalten und zu Konflikten mit anderen, insbesondere
wenn impulsive Handlungen durchkreuzt oder behindert werden.
Zwei Erscheinungsformen der emotional
instabilen Persönlichkeitsstörung werden unterschieden: Ein
impulsiver Typus, vorwiegend gekennzeichnet durch
emotionale Instabilität und mangelnde Impulskontrolle. Und ein
Borderline-Typus, zusätzlich gekennzeichnet durch Störungen des
Selbstbildes, der Ziele und der inneren Präferenzen, durch ein
chronisches Gefühl von Leere, durch intensive, aber unbeständige
Beziehungen und eine Neigung zu selbstdestruktivem Verhalten mit
parasuizidalen Handlungen und Suizidversuchen.
F60.30 Emotional instabile
Persönlichkeitsstörung: Impulsiver Typus
Die wesentlichen Charakterzüge sind
emotionale Instabilität und mangelnde Impulskontrolle. Ausbrüche von
gewalttätigem und bedrohlichem Verhalten sind häufig, vor allem bei
Kritik durch andere.
Mindestens drei der folgenden
Eigenschaften oder Verhaltensweisen müssen vorliegen, um die Emotional
instabile Persönlichkeitsstörung dem Impulsiven Typus zuzuordnen.
- deutliche Tendenz, unerwartet und
ohne Rücksicht auf Konsequenzen zu handeln
- deutliche Tendenz zu Streitereien
und Konflikten mit anderen. Tritt besonders dann auf, wenn impulsive
Handlungen unterbunden oder getadelt werden
- Neigung zu Ausbrüchen von Wut oder
Gewalt mit Unfähigkeit zur Kontrolle dieses explosiven Verhaltens
- Schwierigkeiten in der Beibehaltung
von Handlungen, die nicht unmittelbar belohnt werden
- unbeständige und unberechenbare
Stimmungen
F60.31 Emotional instabile
Persönlichkeitsstörung: Borderline-Typus
Einige Kennzeichen emotionaler
Instabilität sind vorhanden, zusätzlich sind oft das eigene Selbstbild,
Ziele und Vorlieben (einschließlich der sexuellen) unklar und gestört.
Meist besteht ein chronisches Gefühl innerer Leere. Die Neigung zu
intensiven, aber unbeständigen Beziehungen kann zu wiederholten
emotionalen Krisen führen. Begleitend können auftreten: übermäßige
Anstrengungen nicht verlassen zu werden, Suiziddrohungen und/oder
selbstschädigende Handlungen. Ritzen, Verbrennen oder Verbrühen von
Hautstellen können aber auch ohne deutliche Auslöser vorkommen.
Mindestens drei der unter F60.30
aufgezählten Kriterien müssen vorliegen und zusätzlich mindestens zwei
der folgenden Eigenschaften und Verhaltensweisen, um die Emotional
instabile Persönlichkeitsstörung dem Borderline-Typus zuzuordnen:
- Störungen und Unsicherheit
bezüglich Selbstbild, Zielen und inneren Präferenzen (einschließlich
sexueller)
- Neigung, sich auf intensive, aber
instabile Beziehungen einzulassen, oft mit der Folge von emotionalen
Krisen
- übertriebene Bemühungen, nicht
verlassen zu werden
- anhaltendes Gefühl von innerer
Leere
- Selbstbeschädigung
- Suiziddrohungen und -gefährdung
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